Wine-Crime „Tuchi“ oder „einfach“ Selva Capuzza San Martino della Battaglia DOC Campo del Soglio

Selva Capuzza San Martino della Battaglia DOC Campo del Soglio

Die Geschichte über diesen Wein und über die zugrunde liegende Rebe ist eine Geschichte über ein bis heute andauerndes Verwirrspiel um Namen, Weinmarketing, EU-Regelungen und inneritalienische Befindlichkeiten. Die Tuchi-Traube wird in der kleinsten DOC-Appellation Italiens, der San Martino della Battaglia DOC, angebaut, aktuell von einem guten Dutzend Winzer.

Soweit so einfach. Die Tuchi heißt final so seit 2008. Früher firmierte sie unter Tocai oder Tocai Friulano, wobei sie absolut nichts mit den Tokai/Tokaj/Tokajer aus Ungarn zu tun hat. Aber von Anfang an. Nach dem aktuellen Wissensstand (Weingeschichte, DNA-Vergleiche) ist die Tuchi ursprünglich eine Sauvignonasse aus dem Süd-Westen Frankreichs und wurde im 19. Jahrhundert in Nord-Italien eingeführt und angebaut. Um von der Popularität des im 19. Jh. weit verbreiteten österreichisch-ungarischen Tokai zu profitieren, gab man der Rebe dreisterweise denselben Namen, später noch ergänzt um den Zusatz Friulano. Nach Einführung der Rebe wurde sie schnell erfolgreich und eroberte weite Rebflächen vor allem in Nord-Ost-Italien. Von den Einheimischen wurde sie umgangssprachlich schon früher Tuchi genannt, was einer eher liebevollen Bezeichnung einer kleinen Sache gleichkommt, was wohl auf die recht kleinen Beeren abzielte.

Selva Capuzza San Martino della Battaglia DOC Campo del SoglioIm 20. Jh. verlor der italienische Tokai deutlich an Bedeutung und Anbaufläche und spielte nur eine untergeordnete Rolle. Im Zuge der EU-Harmonisierung drängte Ungarn seit den 1980er Jahren mehr und mehr darauf, die Namensrechte für den Tokai exklusiv an Ungarn zu vergeben. Dieser Prozess zog sich über etliche Jahre hin, in denen die betroffenen italienischen Winzer den Wein, trotz Verbot, einfach weiter Tocai friulano nannten. 2008 erhielt Ungarn dann final die Namensrechte und auch die italienischen Behörden achteten auf die Umsetzung derselben. Im Friaul wurde fortan einfach das Tocai weg gelassen und die Rebe Friulano genannt, dort spielt sie aber heute nur eine Nebenrolle.

Die ehemals großen Anbauflächen in Venetien und der Lombardei waren auf sehr kleine Fläche südlich des Gardasees geschrumpft und ohne den tatkräftigen Einsatz einiger weniger Winzer wäre sie heute vermutlich dort verschwunden. Zumal sie südlich des Gardasees mit dem populären und erfolgreichen Lugana konkurrieren muss. Nach einigen Jahren der quasi Namenlosigkeit wurde final 2014 die DOC-Appellation „San Martino della Battaglia“ geschaffen sowie dort der Rebe der Name Tuchi gegeben, welche zu 80% in den DOC-Weinen der Appellation enthalten sein muss.

Einer der Winzer, die nicht von der Tuchi lassen wollten und sich für den neuen Namen und die DOC-Deklaration einsetzten war Selva Capuzza. Die Familie Formentino produziert dort heute auf ca. 25ha unter Reben rund 300.000 Flaschen. Neben der Tuchi werden noch Lugana, Groppello, Sangiovese, Barbera und Marzemimo angebaut. Ich hatte den Winzer und auch die Tuchi bereits vor einigen Jahren auf der ProWein kennen gelernt, ein intensiver Besuch hatte sich bislang leider nicht ergeben. Bei einer meiner Weinbestellungen ergab sich jetzt aber die Möglichkeit, den Tuchi von Selva Capuzza mit zu bestellen. So wurde der alte gute (aber kurze) Eindruck jetzt vertieft.

Die Tuchi wächst südlich des Gardasees in der Gemeinde Desenzano auf schwerem, lehmigem und steinigem Untergrund, allerdings klimatisch sehr durch die Nähe des Gardasees begünstigt. Die Tuchi reift sehr früh. Man muss den optimalen Erntezeitpunkt erwischen, sonst kann man nur noch einen Passito (Süßwein) keltern. Rechtzeitig geerntet besticht die Tuchi durch wenig Säure, deutliche Mineralik und trotz früher Ente durch eine recht hohen Zuckergehalt. Wie bei vielen anderen Winzern, wird heute auch bei Selva Capuzza sehr auf die Qualität geachtet. Nach der Lese von Hand wird der Tuchi in großen Stahlfässern gekeltert und darf mit 13,5% Vol. noch ein Jahr auf der Flasche reifen.

Verkostet habe ich aktuell die Jahrgänge 2016 und 2018 des Top-Tuchi, des Campo del Soglio. Hell strohgelb, ja fast leuchtend, liegt er im Glas. Nur dezent gekühlt verströmt er Düfte von Birne, Aprikose und frischen Brioche, ein fast süßlicher Duft. Auf der Zunge gesellen sich noch Aromen von Limone und Feige hinzu. Leichte Kräuternoten nach Kamille und Thymian ergänzen die Frucht wunderbar. Bemerkenswert ist die Säurearmut. Gerade noch genug, um die Geschmacksknospen zu öffnen und zu kitzeln. Eingebettet wird die vollmundige Frucht in eine überraschend deutliche Mineralik. Wer bei den derzeit angesagten Lugana andere Fruchtaromen vermisst oder eine anständige Mineralik oder auch einfach auf säurearme Weiße steht ist hier genau richtig. Tolle Fruchtaromen, schön in der Struktur mit der deutlichen Mineralik sowie niedliche Säurespitzen – ein toller Sommerwein und das zu einem sehr moderaten Preis von rund 12,- Euro.

  • Selva Capuzza San Martino della Battaglia DOC Campo del Soglio
  • 100% Tuchi
  • 13,5% Vol. Alkohol
  • Desenzano, Brescia, Italien
  • 1 Jahr Flaschenreifung
  • https://www.selvacapuzza.com/

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