Primitivo – Ein Leuchtturm Apuliens
Ein Gastbeitrag von Tobias Strunz
Primitivo ist eine dunkelschalige Traube und bekannt für fruchtige, farbintensive und mitunter auch opulente Weine. Manche Varianten weisen eine besonders hohe Konzentration und auch Gradation auf, darunter der Primitivo di Manduria und dessen Süßweinvariante Dolce Naturale. Der klassische Primitivo verfügt über hohen Alkoholgehalt sowie reichlich Gerbstoff, ist von intensivem Duft und tiefer Farbe. In der Manduria ist es nicht selten, dass die Weine 14% Alkoholgehalt oder mehr erreichen, die „aufgespritete“ Liquoroso Variante erreicht auch leicht 18%. Trotz seiner Fruchtigkeit verfügt Primitivo über einen hohen Tanningehalt, was den Weinen mitunter eine leicht bittere Note verleiht. Diese wird mit zunehmender Reife auf der Flasche oder im Fass abgemildert. Demzufolge ist die Rebsorte nicht nur für den Ausbau im Holzfass geeignet, sondern zudem auch lagerfähig.
Obwohl es unzählige und langatmige Debatten über den Ursprung der Rebsorte Primitivo gegeben hat, die Heimat des Primitivo ist definitiv in Süditalien zu finden – speziell in Apulien. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Rebsorte über Kroatien nach Italien eingebürgert, denn dort jenseits des adriatischen Meeres wird Primitivo noch heute angebaut (und ist unter so zungenbrecherischen Namen wie Tribidrag und Crljenak Kasteljanski bekannt). Im frühen 19. Jahrhundert wurde die Rebsorte auch in die Vereinigten Staaten importiert, wo sie bis heute unter dem Namen Zinfandel bekannt ist. In den USA ist die Rebsorte bis heute äusserst populär und erhielt in manchen Kreisen den Beinamen „Nationalrebsorte“. Die alte wie die neue Welt waren sichtlich konsterniert, als neuere DNA Analysen feststellten, dass es sich bei Zinfandel und Primitivo genetisch um ein- und dieselbe Sorte handelt.
Die Beliebtheit der Primitivo Weine in den vergangenen Jahrzehnten, gleicht einer Achterbahnfahrt: Anfang der 90er gab es weder eine nennenswerte Nachfrage noch erwähnenswerte Primitivo Qualitäten auf dem Markt. Durch die Bemühungen der EU, den Rebbestand zu reduzieren, wurden tausende Hektar Primitivo Weinberge stillgelegt. Zudem galt Primitivo als schwieriger zu kultivieren als andere Sorten, was den zurückhaltenden Anbau noch unterstrich. Aber jenseits des Antlantik erfur der Zinfandel einen regelrechten Boom, was dem Primitivo ohne Zweifel auch zu neuer Anerkennung verhalf. Der moderne Primitivo, welcher seither entstand, ist nicht länger ein zweitrangiger Verschnittwein, sondern eine historische Rebsorte Apuliens. Primitivo ist heute fester Bestandteil vieler süditalienischer Flagschiff-Weine.
Der Name Primitivo lässt sich grob mit „frühreif“ übersetzen (eine interessante Verbindung zu Tempranillo, was dasselbe auf Spanisch bedeutet) und ist eine Referenz auf die frühe Reife der Trauben. Man könnte beinahe glauben, die Rebsorte sei aufgrund ihres Namens irgendwie „primitiv“ – dieser scheinbare Zusammenhang ist jedoch reiner Zufall. Allerdings tut der rustikale Charakter des Primitivo auch nichts dafür, um dieses Vorurteil aus dem Weg zu räumen.
Primitivo ist von seiner ganzen Anlage her eher ein Wein für die dunkle Jahreszeit: Besonders im Winter oder an regnerischen Tagen vor dem Kamin ist ein wärmendes Glas von diesem vollmundigen Rotwein ein Hochgenuss. Auch zur festlichen Tafel, z.B. mit reichhaltiger Fleischküche ist der Primitivo geeignet. Der Herzenswärmer ist zudem ein wahrer Anpassungskünstler und kann somit auch problemlos zu einer einfachen Pasta Bolognese gereicht werden.