Amarone della Valpolicella – ein Überblick
Der Amarone della Valpolicella ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Wein. Das außergewöhnliche Aroma, Alkoholgehalt, Farbe und die einzigartige Art der Herstellung haben dem Amarone einen besonderen Platz unter Italiens Weinen beschert und ihn in den letzten Jahrzehnten auch international zu einem der beliebtesten Spitzenweine Italiens werden lassen.
Tief dunkelrot kommt er daher, der Amarone. Ein schwerer, körperreicher Wein mit hohem Alkoholgehalt (15-17%), der trotz seines geringen Restzuckergehaltes weich auf der Zunge liegt. Erst die Kombination aus einem hohem Extraktgehalt, starken Fruchtaromen, niedrigem Zuckergehalt und den kräftigen Gerbstoffen lassen den Amarone zu einem echten Geschmackserlebnis werden.
Bisher von mir besprochene Amarone
- Corte Cavedini Amarone
- Novaia Amarone „Corte Vaona“
- La Dama Amarone
- Amarone della Valpolicella Antonio Castagnedi
- Antolini Amarone della Valpolicella – Moropio
- Speri Amarone della Valpolicella Classico 2007
- Falezze Amarone
- Marion Amarone della Valpolicella
- Monte dall‘ Ora Amarone della Valpolicella – Stropa
- Marco Mosconi Amarone – ein Klassiker mit zwei Gesichtern
Entstehung
Der Name Amarone leitet sich vom italienischen Wort für bitter=“amaro“ ab. Bitter schmeckt er eigentlich nicht, aber in der von Legenden umwobenen Entstehungsgeschichte macht diese Begrifflichkeit wieder Sinn. Der Amarone ist nämlich eigentlich ein „verunglückter“ Recioto. Der Recioto ist ein Süßwein der Valpolicella-Region, bei dem die Trauben vor der Maische getrocknet werden, so dass anschließend in den Trauben deutlich mehr Extrakte, aber vor allem mehr Zucker enthalten ist. Beim Recioto wird dieser Zucker nicht vollständig vergoren, so dass ein Süßwein entsteht. Der Recioto wird im Valpolicella nachgewiesenermaßen seit dem 17. Jahrhundert produziert, es gibt jedoch deutliche Hinweise, dass dieser Süßwein in ähnlicher Form bereits seit der Antike in Norditalien hergestellt wurde.
Namensgebung
Der Legende nach ergab es sich in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, dass ein Fass Recioto im Keller vergessen wurde. Was niemand vermutet hätte war, dass bis dahin unvermutete (alkohol- liebende) Hefestämme den Restzucker des Recioto zu Alkohol verarbeitet hatten. Auf diese Weise verschwand ein Großteil der Süße und der so entstandene Wein zeigte einen sehr hohen Alkoholgehalt. Im Unterschied zum „richtigen“ Recioto schmeckte dieser „verunglückte“ Recioto deutlich bitter, daher „amaro“. Nach weiteren Versuchen mit dem neuen Wein in den 30er und 40er Jahren wurde 1953 das erste Cuvee abgefüllt, welches auch tatsächlich als Amarone tituliert wurde.
Produktion
Für den Amarone werden die Trauben vollreif Ende September geerntet. Nach der Lese sollen die Trauben für mindestens 90 Tage trocknen bis sie die Hälfte ihres Gewichtes verloren haben. Dieser Vorgang, Appassimento genannt, ist sehr wichtig, da durch die Trocknung den Trauben mehr als 50% des Wassers entzogen wird und entsprechend die Extraktstoffe und der Zucker konzentriert werden. Bei längerer Trocknung noch mehr.
Trocknung
Ursprünglich erfolgte die Trocknung auf Strohmatten, heute, der Einfacheit halber, auf halboffenen stapelbaren Holzrosten, die in großen Trocknungshallen gelagert werden (siehe Bild oben). Während der Trocknung müssen regelmäßig verdorbene Trauben aussortiert werden. Das ist ein mühsamer Vorgang, der traditionell von Hand erfolgt. Bei den großen Winzern geschieht die Trocknung in voll klimatisierten und temperierten Hallen, was den Ausschuss entsprechend reduziert.
Um Weihnachten herum werden die getrockneten Trauben, eher Rosinen zu nennen, vorsichtig gepresst/gemahlen und eingemaischt. Nach 15-20 Tragen setzt die Gärung ein, die für rund 50 Tage anhält. Der hohe Zuckergehalt der „Rosinen“ ergibt einen sehr hohen Alkoholgehalt von zumindest 15% bis zu 17%. Danach wird der Amarone in Holzfässer abgefüllt. Je nach Winzer fallen die Fässer unterschiedlich groß aus, auch die Herkunft variiert. Der Klassiker sind Fässer aus französischer Eiche, aber auch slawonische Eiche findet zunehmend Verwendung. Um tatsächlich Amarone zu werden, muss der Wein mindestens zwei Jahre im Fass reifen bevor er abgefüllt werden darf.
Bedingungen
Seit 1968 hat der Amarone eine DOC-Klassifizierung, seit 2010 wird er als DOCG eingestuft. Diese Einstufung schreibt folgendes vor:
- Die Reben dürfen nur im definierten Valpolicella-Gebiet angebaut werden.
- Zu 45-95% muss Corvina verwendet werden, wobei die Hälfte dieser Menge durch Corvinone ersetzt werden kann.
- Zu 5-30% muss Rondinella verwendet werden.
- 0-15% dürfen aus anderen roten Rebsorten bestehen (max. 10% einer einzelnen Sorte), die zum Anbau im Gebiet zugelassen sind.
- 0-10% dürfen aus anderen italienischen Rebsorten bestehen, die zum Anbau im Valpolicella zugelassen sind. (Bei den letzten beiden Punkten wird häufig Oseleta oder Molinara eingesetzt.)
- Die Trauben müssen eine ausreichende Trocknung (3-4 Monate) erfahren.
- Der Amarone muss mindesten zwei Jahre im Holzfass reifen.
- Die Produktionsstätte muss im definierten Valpolicella Anbaugebiet liegen.
Entwicklung
Der Amarone, obwohl seit den 50er Jahren systematisch produziert, fristete lange ein Nischendasein unter den Weinen Italiens. Erst in den 80er Jahren begann sein Aufstieg. Zunächst in Übersee, später auch in Europa, fand dieser schwere alkoholreiche Italiener immer mehr Anhänger. Ab den 90er Jahren setzte ein regelrechter Hype um den Amarone ein. Immer mehr Winzer im Valpolicella produzierten ihn, die Produktionszahlen wuchsen schier ins Uferlose bis das Consortio Tutela Vini Valpolicella, dass über die Klassifizierungen wacht, 2012 eine Mengengrenze einführte.
Seitdem dürfen im Valpolicella, und nur dort darf Amarone produziert werden, nur 50% der geernteten Trauben zu Amarone verarbeitet werden.
Qualitätsansprüche
Einigen Winzern reichte diese Begrenzung nicht aus, sie befürchten eine Amarone-Inflation. Diese zwölf langjährigen Amarone-Produzenten, darunter einige der namhaftesten Winzer des Valpolicella (wie z.B. Allegrini, Masi, Begali, Speri, Tedeschi, Tommasi, Zenato), hatten sich bereits 2009 zusammengeschlossen, um durch höhere Produktionsstandards, strengere Flächenbegrenzung und Vermarktungsstrategien die Exklusivität (und damit den Preis) des Amarone zu wahren und ihn nicht zu einem Massenwein verkommen zu lassen.
Dieses Risiko besteht durchaus, selbst bei Diskountern in Deutschland wie Aldi oder Lidl ist gelegentlich ein Amarone erhältlich. Auch hat das Consortio seit Einführung der relativen Mengenbegrenzung die genehmigten Anbauflächen mehrfach erweitert und dadurch die Mengenbegrenzung aufgeweicht.
Die DOCG-Vorschriften und die Mengenbegrenzung des Consortio 2012 reichen den Protagonisten bis heute nicht aus und so schwelt der Disput um den Amarone weiter. Zumal der Verbund dieser zwölf Winzer sich den Namen „Amarone Familien“ (Famiglie Dell’Amarone d’Arte) gab. Der Begriff Amarone ist jedoch geschützt, die Verwendung dieses Markennamens wird durch das Consortio geregelt. Dieses hatte den Familien die Verwendung des Begriffs Amarone im Namen der Organisation untersagt, so dass dieser Disput mittlerweile vor den Gerichten ausgetragen wird.
Aktualisierter Nachtrag 2020: Mittlerweile wurde ein Urteil zu Ungunsten der „Amarone Familien“ gefällt und ihnen das Nutzen des Begriffes Amarone im Namen des Verbundes untersagt. Demzufolge nennt sich der Verbund nun „Le famiglie storiche“ (übersetzt: „Historische Familien“).
Ausprägungen und Qualitäten
Was macht einen guten Amarone aus und wie erklären sich die enormen Preisunterschiede? Die Preispanne bei Amarone in Deutschland reicht von 14,- € (Diskounter) bis zu Spitzenexemplaren namens Quintarelli oder Romano Dal Forno für mehrere hundert Euro.
Selektion im Weinberg
Ein guter Amarone fängt im Weinberg an. Den ganzen Sommer über werden Triebe ausgegeizt und eine bestimmte Anzahl an Fruchttrauben entfernt, um den verbleibenden Trauben mehr Kraft und Energie durch die Pflanze zukommen zu lassen. Das geht natürlich zu Lasten der Menge.
Selektion während der Trocknung
Je genauer und sorgfältiger man während der Trocknung verdorbene oder nicht 100%ig astreine Trauben aussortiert, um so geringer ist das Risiko Teile der Trauben zu „verlieren“, Fehlgeschmäcker durch verdorbene Trauben zu erhalten oder sogar ungewollte Reaktionen während der Gärung zu riskieren. Das ist mit erhöhtem Personalaufwand (dafür wurde noch keine Maschine erfunden) und damit mit erhöhten Kosten verbunden.
Ausbau
Ein guter Winzer verwendet für die Reifung des Amarone neue Fässer oder maximal einmalig benutzte Fässer. Nur so sind die für den Amarone so wichtigen Würzen und Gerbstoffe zu gewinnen. Vorgeschrieben ist das nicht. Ebenfalls gibt es große Qualitäts- und Preisunterschiede bei den Fässern, die sich mit der Holzherkunft und der Größe erklären. Auch hier gilt: Mehr Qualität = mehr Kosten. So kann man z.B. große Fässer aus slawonischer Eiche verwenden. Diese Fässer geben weniger Gerbstoffe ab als französische Eiche, folgerichtig sollte die Reifedauer verlängert werden.
Dauer der Reifung
Die Mindestdauer der Reife beträgt zwei Jahre. Einige Winzer lassen den Amarone aber deutlich länger reifen, teils bis zu sieben Jahre. Dieser Amarone wird dann partiell als Riserva vermarktet, obwohl für das Valpolicella-Gebiet überhaupt keine Riserva-Spezifikationen des Consortio existieren. Eine längere Reifung im Fass und/oder in der Flasche muss nicht automatisch mehr Qualität erzeugen, bei entsprechendem Trauben- und Fassmaterial kann der Amarone aber erheblich gewinnen. In jedem Falle bedeutet eine längere Reifung immer mehr Kosten für den Winzer.
Lage, Lage, Lage
Aus dem französischen Weinbau kennt man den Grand Cru, fest definierte Spitzenlagen für bestimmte Weine. Vergleichbare Spezifikationen sind für Valpolicella-Weine nicht vorhanden. Dennoch gibt es Spitzen-Lagen für den Amarone. Was nicht einfach ist, müssen doch für den Amarone drei oder mehr Rebsorten in nahezu gleich hoher Qualität produziert werden. Aber es gibt sie.
Als Beispiel sei hier der Monte Sant‘ Urbano der Familie Speri genannt. Dort werden an einem Weinberg Corvina, Rondinella, Molinara und Oseleta angebaut. Sowohl für den Amarone Sant‘ Urbano von Speri als auch für den Superiore Sant‘ Urbano. Nahezu alle Spitzenlagen für den Amarone finden sich im Classico-Gebiet, was aber nicht bedeutet, dass im Valpantena- oder Orientale-Gebiet nicht sehr gute Amarone zu finden wären. Hier sei als Beispiel die Azienda Agricola Falezze der Familie Anselmi genannt. Hier wird mit viel persönlichem Einsatz, viel Erfahrung in der Famile und einem sehr hohen Qualitätsanspruch aus sehr alten Rebstöcken (teilweise über 80 Jahre) in kleiner Auflage (rund 4.000 Flaschen) ein Amarone produziert, der sich wirklich sehen und trinken lassen kann.
Jahrgang
Wie bei jedem anderen guten Wein, so gibt es auch für die Valpolicella-Weine gute und weniger gute Jahrgänge. Jahre in denen die beeinflussenden Faktoren wie Sonne, Regen, Temperatur, Unwetter, Trockenheit zur Lese u.v.m. in optimaler Stärke und zeitlich optimalem Ablauf erscheinen und so optimale Trauben und eine problemlose Lese ermöglichen.
Vinifizierung
Einer der wichtigsten Faktoren auf dem Weg zu einem guten Amarone ist der Winzer selbst. Erfahrung in der Verarbeitung und der „Komposition“ des Amarone sind durch nichts zu ersetzen, gehobene technische Anlagen sind mal mehr mal weniger vorhanden. Viele kleine und mittlere Familienbetriebe gleichen das Fehlen teurer Hightech-Vinifizierung durch generationsübergreifende Erfahrung aus. Vielen gelingt das, einigen nicht. Einige Winzer scheitern sogar trotz dem Vorhandensein beider Faktoren.
Sind alle beschriebenen Faktoren und Eigenschaften vorhanden, besteht eine gute Chance auf einen sehr guten Amarone, vielleicht sogar auf einen Spitzen-Amarone, der mehrere Hundert Euro kostet. Fehlen jedoch die wichtigsten Faktoren und werden nur die Mindest-Vorgaben der Klassifizierung eingehalten, kann es passieren, dass der Wein für 14,- Euro beim Diskounter landet.
Keiner der „echten“ Winzer im Valpolicella, die eigenständig vermarkten, würde seinen mit viel Herzblut produzierten Vorzeigewein derart verramschen. Die Diskounter-Amarone werden von Genossenschaften explizit für diesen Zweck produziert und ich bin überzeugt, dass dort nicht alle Vorgaben eines echten Amarone eingehalten werden, aber das ist vielleicht eine andere Geschichte.
Zum Schluß noch ein Wort zur Lagerfähigkeit. Ein Amarone lässt sich ohne Qualitätsverlust problemlos 15-20 Jahre lagern. Je nach Ursprungsqualität und -ausbau, sogar deutlich länger.