Die Rebsorten des Valpolicella
Wann ist ein Wein charakteristisch für eine Region und was macht die Weine einer Region vielleicht sogar einzigartig? Nun, da wären zuallererst die geografische Lage, Klima und der Boden zu nennen. In Kombination mit diesen Faktoren spielen natürlich auch die dafür geeigneten Rebsorten eine sehr große Rolle.
In über 2000 Jahren Weinbaugeschichte ist eine unübersehbare Menge an Rebsorten (Varietäten) und deren Ausprägungen (Klone) entstanden. So sind heute weltweit rund 20.000 verschiedene Rebsorten bekannt, davon werden immerhin noch ca. 1.300 auch kommerziell genutzt. Allein in Italien werden rund 380 verschiedene Sorten angebaut. Die Vergabe und Nutzung verschiedener Namen für ein und dieselbe Sorte erschwert die Übersicht weiter. In den letzten Jahren haben DNA-Analysen in vielen Bereichen für Klarheit in den Verwandtschaftsbeziehungen der Rebsorten untereinander sorgen können als auch mit etlichen doppelten Namensgebungen aufräumen können.
Die heute verwendeten Rebsorten im Valpolicella-Gebiet finden, urkundlich belegt, mindestens seit dem 19. Jahrhundert Verwendung. Nach dem, durch Reblaus und Mehltau verursachten, Zusammenbruch des europäischen Weinbaus wurden aber auch im Veneto die Karten neu gemischt.
Der Mehltau wurde um 1850 aus Nordamerika eingeschleppt und hatte schon erhebliche Schäden im europäischen Weinbau angerichtet. Die in den 1860er Jahren ebenfalls aus Nordamerika eingeschleppte Reblaus, deren Larven die Wurzeln der Pflanzen schädigt, vernichtete bis in das 20. Jahrhundert hinein schließlich weite Teile der europäischen Weinstöcke bis man durch Veredelung der europäischen Sorten auf resistente nordamerikanische Pflanzenunterlagen eine Lösung fand.
In Norditalien wurden bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhundert mehr als 2/3 aller Weinstöcke zerstört. Erst ab 1927 war die Umstellung auf die veredelten Reben abgeschlossen. Im Valpolicella griff man vielerorts auf die bekannten Sorten zurück, die sich hinsichtlich Klima und Boden bewährt hatten. Ein weiterer Fokus lag auf den Schädlings-Resistenzen und dem Ertrag. Es haben sich schließlich die Sorten Corvina, Corvinone, Rondinella, Molinara und Dindarella/Pelara durchgesetzt, im späten 20. Jh. kam dann noch die wiederentdeckte Oseleta hinzu. Diese sechs autochthonen Sorten dominieren heute die Veroneser Cuvées.
Autochthone Rebsorte bedeutet, dass sich die Sorte in einer Region entwickelt hat oder sich vor langer Zeit dort angesiedelt hat (oder wurde) und dass diese Sorte heute überwiegend nur in dieser spezifischen Region angebaut wird. Letzteres Kriterium wird immer schwieriger zu halten. Durch DNA-Analysen neu entdeckte Verwandtschaftsbeziehungen führen diese Exklusivität gelegentlich ad absurdum (z.B. Primitivo/Zinfandel)
Corvina und Rondinella sind in unterschiedlichen Gewichtungen Pflichtsorten für Classico, Amarone, Recioto, Ripasso und Superiore. Erlaubt, aber nicht verpflichtend in den großen fünf des Valpolicella, sind daneben noch Corvinone, Molinara, Oseleta und Dindarella. Ebenfalls bis zu einem geringen Prozentsatz erlaubt sind andere rote Rebsorten, die für den Anbau im Valpolicella zugelassen sind. Aktuell sind das z.B. Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Croatina, Merlot, Sangiovese, Syrah und Teroldego. Viele Winzer haben mittlerweile ein Cuvée dieser „Nebensorten“ als Rosso Veronese IGT im Programm.
Der Anbau von für die Weißweinproduktion geeigneten Sorten spielt bis heute im Valpolicella nur eine Nebenrolle. Im Regelfall sind das Garganega und Trebbiano.
In den nächsten Wochen werde ich in kurzen Abständen die wichtigsten Sorten jeweils in einem einzelnen kurzen Portrait vorstellen. Den Anfang macht das Portrait der Corvina.